Superwahljahr 2024: Beispiele von Wahlbeeinflussung aus der ganzen Welt

canva.com

Die Nutzung der Social Media zur Wahlbeeinflussung hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. In diesem Superwahljahr 2024 ist es nicht anders: die Europawahlen, Landtagswahlen in einigen Bundesländern, US-Wahlen, usw. In Fälle wie die US-Präsidentschaftswahl 2016, das Brexit-Referendum, die Aktivitäten von "Team Jorge" zeigen die Macht dieser Plattformen. Auch bei uns in Deutschland sind Fälle bekannt. Die Sammlung und Nutzung personenbezogener Daten spielen dabei eine zentrale Rolle und werfen ernsthafte ethische und rechtliche Fragen auf.

 

US-Präsidentschaftswahl 2016: Der Fall Trump und Cambridge Analytica

Bei der überraschenden Wahl Donald Trumps stand das Unternehmen Cambridge Analytica im Zentrum der Kontroverse. Die Firma erlangte Zugriff auf die Facebook-Daten von etwa 50 Millionen Menschen durch eine App namens "This is your Digital Life". So hat die Firma Daten von Social Media-Profilen gesammelt, ohne dass die Nutzer davon wussten. Diese Daten wurden dann verwendet, um detaillierte psychografische Profile zu erstellen. Mithilfe von ausgeklügelten Algorithmen konnten Persönlichkeitsmerkmale, politische Neigungen und emotionale Auslöser der Wähler identifiziert werden. Dazu haben sie sich nicht nur die üblichen demografischen Infos (alter, geschelcht, Wohnort usw.) und Interessen, Likes oder Kommentare angeschaut, sondern viel über die User herausgefunden. Mit diesen Profilen führte Cambridge Analytica gezielte Werbekampagnen durch. Diese Microtargeting-Kampagnen richteten maßgeschneiderte Botschaften an spezifische Wählergruppen. Zusätzlich wurden Fake News und andere Falschinformationen verbreitet und Unsicherheit geschürt. Die Wählenden erhielten politische Botschaften, die genau auf ihre individuellen Ängste, Hoffnungen und Vorurteile zugeschnitten waren. Somit konnte die Trump-Kampagne Wählergruppen erreichen und mobilisieren, die über traditionelle Methoden schwer zugänglich gewesen wären. Die Auswirkungen dieser Taktiken auf das Wahlergebnis sind umstritten, aber sie halfen zweifellos, Trumps populistische Botschaften gezielt zu verbreiten und Wählende zu polarisieren. 

Während des US-Wahlkampfs wurden Social Media-Plattformen wie X und Facebook noch von anderen Akteuren zur Verbreitung von Desinformation genutzt. Tausende von russischen Bots und sogenannten “Trollen” erreichten schätzungsweise ein Drittel der US-Bevölkerung vor der Wahl 2016. Auf Facebook wurden etwa 80.000 Posts von 120 gefälschten, nach Russland zurückverfolgbaren Seiten identifiziert, die an ca. 29 Millionen US-Amerikaner gerichtet waren. Der unbefugte Zugriff auf persönliche Daten verstieß gegen Datenschutzrichtlinien und untergrub das Vertrauen in soziale Medien als Plattformen für den politischen Diskurs.

 

Kein Risiko, wenn du kein Facebook oder X nutzt!? Es ist nicht mehr das Jahr 2016! Die gleichen Mechanismen gelten jedoch auch für die anderen, heute angesagten Social Media wie Instagram, TikTok und Co. 

"Team Jorge" und Wahlbeeinflussung weltweit

Ein verdeckt operierendes Team aus Israel, bekannt als "Team Jorge", wurde durch eine journalistische Untersuchung aufgedeckt. Geleitet von Tal Hanan, einem ehemaligen israelischen Spezialkräfte-Offizier, behauptet die Gruppe, in über 30 Wahlen weltweit eingegriffen zu haben. Die Gruppe nutzt Social Bots und automatisierte Konten, um Desinformation zu verbreiten. So konnten sie ihre Kampagnen genau auf die jeweiligen Länder zuschneiden und die öffentliche Meinung dort beeinflussen. Eine ihrer Hauptwaffen ist die Software "Advanced Impact Media Solutions" (AIMS). Diese Software ermöglicht die Steuerung von Tausenden gefälschter Social-Media-Profile auf Plattformen wie X, Facebook und Instagram. Diese Avatare sind so gestaltet, dass sie menschliches Verhalten nachahmen und so schwer zu entlarven sind. Einige dieser gefälschten Profile verfügen sogar über Amazon-Konten und Bitcoin-Wallets, um ihre Authentizität weiter zu erhöhen. Neben der Nutzung von Bots und gefälschten Profilen setzt Team Jorge auch auf Hacking. In verdeckten Aufnahmen prahlte Hanan damit, in private E-Mail- und Telegram-Konten politisch einflussreicher Personen eindringen zu können. So ist die Nutzung personenbezogener Daten eine der wesentlichen Elemente der Aktivitäten der Gruppe. Die Daten ermöglichen es der Gruppe, gezielte Desinformationskampagnen durchzuführen und spezifische Wählergruppen anzusprechen.

Die Aktivitäten von "Team Jorge" sind weltweit verbreitet, mit Operationen in Afrika, Südamerika, den USA und Europa. Besonders aufsehenerregend waren die angeblichen Einmischungen in das katalanische Unabhängigkeitsreferendum 2014 und die Wahlkommission Indonesiens 2019. Die Enthüllungen über Team Jorge werfen ernsthafte Fragen zur Glaubwürdigkeit demokratischer Prozesse und zur Sicherheit digitaler Plattformen auf. Die Existenz eines privaten Marktes für Desinformation und Wahlbeeinflussung stellt eine erhebliche Bedrohung für Demokratien weltweit dar. Die Methoden von Team Jorge stellen auch eine Herausforderung für große Technologieplattformen dar, die sich nach eigenen Angaben seit Jahren darum bemühen, die Verbreitung von Falschinformationen und die Verletzung der Sicherheit auf ihren Plattformen zu verhindern. 
 

Weitere Fälle der Wahlbeeinflussung durch Social Media

Bei den indonesischen Parlamentswahlen 2019 und 2024 spielten "Buzzer" - bezahlte Influencer - eine zentrale Rolle. Sie verbreiteten gezielt Fehlinformationen und emotional aufgeladene Inhalte. Durch die Nutzung von Social-Media-Daten konnten diese Kampagnen genau auf bestimmte Wählergruppen zugeschnitten werden. Diese gezielten Desinformationskampagnen hatten einen erheblichen Einfluss auf die Wähler und trugen dazu bei, die Wahlergebnisse zu manipulieren.

Auch beim Brexit-Referendum 2016 wurden soziale Medien zur Wahlbeeinflussung genutzt. Kampagnen wie "Vote Leave" setzten auf gezielte Werbung und Desinformation, basierend auf detaillierten Wählerdaten. In vielen Entwicklungsländern wurden ähnliche Taktiken angewandt, oft unter Nutzung lokaler Datenquellen für gezielte Kampagnen.